Unverbindlichkeit - ein modernes Phänomen, Teil 2

    Lasst uns nochmals über den scheinbar 'schicken Trend der Unverbindlichkeit' nachdenken – ich meine es gibt eine andere Möglichkeit dieses Phänomen zu erklären, der nicht im Warten auf etwas Besseres begründet liegt. 

    Ich hatte ja behauptet, dass die ständige Erreichbarkeit, insbesondere die vielen sozialen Netzwerke, schuld an der Unverbindlichkeit seien – man verbringe ständig die Zeit damit, darauf zu warten dass ich etwas 'Besseres' ergibt und verpasst somit vielleicht das Beste. Eins sollte noch gesagt werden: mir geht es nicht darum, dass ich generell über eine spontane Absage enttäuscht bin. Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist die 'Non-Kommunikation'. Die Tatsache, dass man einfach gar nicht absagt. Denn man hatte sich ja nur locker verabredet und schuldet dem anderen somit nichts, auch keine Absage.

    Aber vielleicht ist die ständige Erreichbarkeit gar nicht der eigentliche Grund, vielleicht ist es ein, im weitesten Sinne, moralischer – einfach nur die Unfähigkeit 'Nein' zu sagen, aus Angst sein Gegenüber zu 'kränken'? Ich hatte ja meinerseits eingestanden, dass auch ich mich hin und wieder der Unverbindlichkeit verschrieben hatte – aber nicht so sehr in der Hoffnung auf Besseres, sondern vielmehr deshalb, weil ich andere Menschen mit einer Absage nicht enttäuschen wollte.

    Klingt doof und banal aber so ist es, wenn man immerzu absagt...Tja, am Ende fragt einen keiner mehr, weil man etliche Male abgesagt hat und der Andere es leid ist, einen Korb zu bekommen. Ist da ein unverbindliches 'mal sehen' die Lösung, wissend dass man eigentlich sowieso schon etwas anderes vorhat? Kaum. Denn wie bereits mein Vater sagte – ja, Eltern haben erschreckenderweise oftmals doch Recht – man kann nicht auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen.

    Mit den vielen sozialen Netzwerkkontakten auf Facebook, Goggle+, Whatsapp und dergleichen, zusätzlich zu 'realen' sozialen Kontakten in der Uni, Schule oder Arbeit, ergeben sich auch zahlreiche Möglichkeiten der sozialen Interaktion – meist zeitgleich.

    Am Freitag findet eine angesagte WG-Party bei deinem Angebeteten / deiner Angebeteten statt, der beste Kumpel hat Geburtstag, die Arbeitskollegin feiert ihre Beförderung, deine Großeltern haben goldene Hochzeit, deine beste Freundin plant einen Mädelsabend und außerdem spielt deine Lieblingsmannschaft ein wichtiges Fussballspiel, das du gerne mit ein paar Kommilitonen sehen würdest.

    Overload – eine Vielzahl an Möglichkeiten stehen dir offen und du kannst dich nicht entscheiden.

    Klar, einerseits einfach aufgrund der Tatsache dass du dich nicht festlegen willst, weil das Eine könnte ja besser als das Andere sein – womit wir hier wieder beim Thema von letzter Woche wären – und der andere Grund für deine Unentschlossenheit ist vielleicht der, dass du niemanden enttäuschen möchtest.

    Was also tun? Unverbindlichkeit ist, ich sage es euch gleich, nicht die Lösung.

    Ein 'Mal sehen, ich melde mich' tut oft mehr weh, als ein 'Sorry, aber ich schaffe es diesen Freitag einfach nicht'. Da weiß der Andere wenigstens woran er ist, andernfalls rechnet er unbewusst doch immer mit eurem Erscheinen und ist am Ende wirklich enttäuscht / sauer, weil seine Erwartungen enttäuscht wurden.

    In Zeiten von unzähligen sozialen Kontaktmöglichkeiten, gilt es also eine Regel zu verinnerlichen bezüglich dem moralischen / zwischenmenschlichen Umgang miteinander: klare Ansagen. 'Ja' oder 'Nein'. Kein 'Mal sehen' und 'Vielleicht'.

    Ihr seht schon den Haken, mit einem klaren 'Ja' zu Option A und 'Nein' zu B, enttäuscht man immer den Menschen der B vorgeschlagen hat. Aber mit einem 'Mal sehen' zu A und einem 'Vielleicht' zu B, enttäuscht man beide. Betrachten wir es aus utilitaristischer Sicht, sollte klar sein, dass die erste Variante, 'Ja / Nein' unterm Strich weniger Menschen enttäuscht, nämlich nur einen – dem Motto 'Das größte Glück der größten Zahl' wäre somit Rechnung getragen.

    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dieses 'klare Ansagen machen' schwierig ist, jedenfalls dann wenn man seinen Mitmenschen gegenüber leicht ein schlechtes Gewissen hat, Angst hat sie zu kränken oder zu enttäuschen. Aber wenn ihr darüber nachdenkt was euch lieber ist, dann sollte es leichter fallen – und ja es ist tatsächlich so, man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Ebenfalls aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wenn man es versucht, man weder hier noch dort einen perfekten Walzer aufs Parkett legt. 

    Was denkt ihr? Ist das soziale Miteinander bzw. eher die Vielzahl an sozialen Kontakten und der Versuch allen gerecht zu werden, eine damit verbundene 'moralische Verpflichtung', ein Grund für das Phänomen der Unverbindlichkeit?

    http://hit-rock-bottom.xobor.de/t25f5-Unverbindlichkeit-ein-modernes-Phaenomen-Teil.html#msg58


    Unverbindlichkeit - ein modernes Phänomen, Teil 1

    Mich beschäftigte kürzlich wieder einmal das Leben selbst – der scheinbar gerade 'schicke Trend der Unverbindlichkeit'. Wie es mich nervt, aber ich bin mittendrin statt nur dabei – die Unverbindlichkeit hält Einzug im täglichen Miteinader und was bleibt sind Frustration und Einsamkeit.

    Ich will euch das mal am Beispiel meiner Wenigkeit verdeutlichen. Ich schlage jemandem an Tag Y eine Verabredung für Tag X vor – Tag X liegt noch weit genug entfernt – und die Antwort: "Mal sehen, ich melde mich." Gut, schön, soweit in Ordnung. Es kommt Tag X. Ich habe mir für Tag X nichts vorgenommen, weil ich ja eine 'schwebende Verabredung' ausgemacht habe. Tag X kommt also und ich sitze zu Hause, wartend auf den sich Meldenden. Was passiert?

    NICHTS. Ich sitze alleine herum und warte auf ein Ja oder Nein oder Vielleicht und bin gefrustet. Ich habe auch nicht Freizeit im Überfluss – wer hat das Heute schon noch – und statt einen schönen Abend mit einem netten Menschen zu verbringen, sitze ich, mangels Alternativen, mal wieder vor den Büchern. Klar, die sind immer da, die enttäuschen mich nicht. Der 'Betroffene' meldt sich am nächsten Tag völlig unverblümt, nicht wissend dass ich seine 'schwebende Zusage' so wörtlich genommen habe und versteht meinen Frust nicht.

    Ich meine, schuld sind die neuen Medien. Wer auch sonst? :)

    "All this technology is making us antisocial." In Zeiten von Smartphones oder besser noch, Whatsapp und Facebook, sind wir ständig und immerzu erreichbar. Jeden verfluchten Moment könnte eine 'bessere' Alternative für die Abendplanung reingeschneit kommen. DIE Party unseres Lebens; DER Kumpel der sich ewig nicht gemeldet hat und plötzlich in der Stadt ist und spontan Zeit hat; DIE Frau oder DER MANN unserer Träume, die /der sich gerade in diesem Moment langweilt und einen gerne sehen würde. Da kann man ja schlecht schon etwas anderes vorhaben – man muss spontan und flexibel sein.

    Ich meine aber, im ewigen Warten auf etwas Besseres, verpasst man oft das Beste. Ich habe ein dazu eine passende Weisheit gefunden: "Chancen sind wie Sonnenaufgänge, wer zu lange wartet verpasst sie."

    Ich weiß nicht, ob es den anderen auch so geht, oder ob ich einfach nur ein Relikt aus der Urzeit bin. Aber ich bin eigentlich tendenziell der Mensch, der sich verabredet und diese Verabredung dann auch wahrnimmt. 

    Auch wenn ich gestehen muss, dass auch ich hin und wieder die Möglichkeit der ständigen Erreichbarkeit 'ausgenutzt' habe, mich der Unverbindlichkeit verschrieben habe. Aber bei mir ist es eher die Angst jemanden mit einer Absage zu enttäuschen, so habe ich in der Vergangenheit oftmals Überschneidungen meiner Freizeitaktivitäten gehabt – aber auf die Unfähigkeit Nein zu sagen als Grund für Unverbindlichkeit, möchte ich jetzt nicht näher eingehen.

    Die Frage die ich mir nun stelle – bin ich einfach nur zu 'verplant', neurotisch, fest gezurrt und leider gar nicht flexibel und spontan, wie scheinbar alle um mich herum? Oder sitzen andere auch oftmals zu Hause und tun nichts, weil sie auf eine Zusage gewartet haben, geplant haben? Bin ich falsch – oder läuft hier generell etwas falsch?

    Ist es die ständige Erreichbarkeit, das ständige Warten auf etwas Besseres, der die Unverbindlichkeit begründet? Ist sie etwas 'Schlechtes'? Oder ist die Unverbindlichkeit nur eine 'Tugend' die man heute eben erlernen muss – ist es heute 'angesagt' flexibel zu sein?

    Was meint ihr dazu?

    http://hit-rock-bottom.xobor.de/t25f5-Unverbindlichkeit-ein-modernes-Phaenomen-Teil.html#msg58

    Vergiss mein nicht – oder besser doch? Teil 1

    Meine Überlegungen wurden angestoßen von einem Film, welcher uns am Freitag Anfang Mai im Seminar vorgestellt wurde. Der Film „Vergiss mein nicht“ inszeniert und spielt mit der Frage, ob es für den Menschen sinnvoll ist, schmerzliche Erinnerungen auszulöschen, mit Hilfe der Medizin / Wissenschaft. Eine bunte Tablette und jede beliebige Erinnerung kann vergessen werden, ungeschehen gemacht werden, emotionaler 'Ground Zero' sozusagen.

    Ist so eine Pille die Lösung um endlich, losgelöst von negativen Emotionen der Vergangenheit, den Augenblick zu genießen, glücklich zu leben?Oder ist das Löschen beliebiger (schmerzlicher) Erinnerungen mit Vorsicht zu genießen?

    Für das Vergessen von Erinnerungen lassen sich durchaus Argumente anbringen. Ohne die drückende Last der Vergangenheit, lässt sich der Moment losgelöster erleben.

    Selig sind die Vergesslichen: denn sie werden auch mit ihren Dummheiten fertig.“ (Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse)

    Was meint Nietzsche damit? Ich meine, er will sagen, dass es nicht schaden kann, negative Erfahrungen zu verdrängen und so zu vergessen. In „Unzeitgemäße Betrachtungen“ lobt er die Vergesslichkeit der Tiere, sie leben unhistorisch: „kurz angebunden mit ihrer Lust und Unlust, nämlich an den Pflock des Augenblickes und deshalb weder schwermüthig noch überdrüssig.“

    Die Vergangenheit behindert die Tiere oder die Vergesslichen nicht, denn sie existiert für sie nicht mehr. Erlebt – Vergangen – Abgeschlossen. Ein Fehler aus der Vergangenheit? Vergessen. Eine herbe Enttäuschung? Can't remember.

    Die Beschäftigung mit der Vergangenheit kann den Menschen am Leben im Augenblick hindern – wer kennt es nicht – die wiederkehrende Beschäftigung mit längst vergangenen Entscheidungen, das Hadern, Zögern, die Frage nach „Was wäre wenn...“, der Imperativ des „Hätte“ und „Sollte“ bestimmt unser Denken.

    Negative Erinnerungen haben Einfluss auf die Gegenwart, beispielsweise wurde man von einem Menschen enttäuscht – also begegnet man anderen Menschen künftig mit Vorsicht, öffnet sein Herz nicht zu schnell, vertraut nicht allzu leicht. Man ist gegenwärtig verschlossener – aus Erfahrung, mit gutem Grund – aber verhindert dadurch auch, dass Menschen in das eigene Leben treten, die einen nicht enttäuschen. Aber mit dieser Skepsis, dem Misstrauen im Hinterkopf – unmöglich das zuzulassen. Menschlich, allzu menschlich.

    Die große Liebe – ein kleiner Fehler, ein böser Streit – das Ende der Beziehung – zwei verletzte Herzen – gedankliche Beschäftigung mit diesem Ende – Caught in the middle. 

    And everything that you meant to me

    Is written in the pages of my history

    But it's over now as far as I can see

    Suddenly

    Things are so different, now you're gone

    I thought it'd be easy, I was wrong

    And now i am caught

    And now, caught in the middle (A1 Caught in the middle)


    Wäre da so eine „Vergesslichkeits-Pille“ nicht genau das richtige? Sozusagen eine „Pille danach“?

    Die Erinnerung einfach tilgen und weiter machen?

    Was meint ihr? → http://hit-rock-bottom.xobor.de/t24f5-Vergiss-mein-nicht-oder-besser-doch-Teil.html#msg56

    Nun versuchen wir uns einmal die andere Seite zu beleuchten: wir gehen immer noch von derselben Frage aus. Ihr erinnert euch? Die Frage, ob es für den Menschen sinnvoll ist, schmerzliche Erinnerungen auszulöschen, mit Hilfe der Medizin / Wissenschaft. Eine bunte Tablette und jede beliebige Erinnerung kann vergessen werden, ungeschehen gemacht werden, emotionaler ground zero sozusagen.

    Ist so eine Pille die Lösung um endlich, losgelöst von negativen Emotionen der Vergangenheit, den Augenblick zu genießen, glücklich zu leben?

    Oder ist das Löschen beliebiger (schmerzlicher) Erinnerungen mit Vorsicht zu genießen?

    Hier also die Gegenseite – machen wir es uns damit nicht zu leicht? Formen Erfahrungen nicht unseren Charakter? Wir scheitern, fallen hin und stehen auf, wachsen, lernen dazu. Negative Erfahrungen müssen nicht zwangsläufig ein Scheitern am Leben bedeuten, wir können aus ihnen lernen.

    Ein Löschen solcher negativer Erfahrungen oder Erinnerungen würde bedeuten, einen Teil des Weges zu eliminieren, den wir hinter uns gebracht haben, um zu werden wer wir sind. Sind wir also nach so einem Löschvorgang noch dieselben? Ich meine, wir nehmen damit einen Teil dessen weg, was unsere Persönlichkeit geprägt hat - kann unsere Persönlichkeit dann noch die "unsrige" sein?

    Eine andere Überlegung – können wir ohne Negativität noch das Positive im Leben sehen, erfahren? Nach dem Motto, woher wissen dass etwas weiß ist, wenn man schwarz nicht kennt. Stellt sich dann nicht ein Gefühl der Gefühllosigkeit ein, endet das Ganze in der Depression?

    Hier würde ich ebenfalls wieder Nietzsche bemühen, der in „Die Geburt der Tragödie – aus dem Geiste der Musik“ von der Duplizität des Apollinischen und Dionysischen spricht. Zwei Kräfte die gegeneinander kämpfen und sich gegenseitig bedingen – eines kann ohne das andere nicht sein.

    Das Apollinische steht für alles Schöne in der Welt, für den schönen Schein, Klarheit, das Fassbare; das Dionysische ist das Unfassbare, das Unerklärliche, der Rausch, das Chaos und auch der Schmerz.

    Wir brauchen den schönen Schein, das Apollinische um das Leben und seine dionysischen Elemente ertragen zu können – doch wenn dieser Schein zur Wahrheit wird, das Dionysische vergessen wird, dann verlernen wir das „Schmerz-Fühlen“, wir sind geprägt von einem Übermaß an Positivität. Nietzsche hat es vorausgesagt, verschwindet das Dionysische, so entgleitet auch das Apollinische in eine Abart. Denn das eine kann ohne das andere nicht sein – das liegt begründet in der Duplizität der beiden.

    Tilgen wir also schmerzliche Erfahrungen, Erinnerungen – namentlich das Dionysische – aus unserem Erinnerungsvermögen, so können wir den Schein des Apollinischen nicht mehr entlarven, er wird zu neuen Wahrheit. Wir wollen nur noch positive Empfindungen und alles Negative löschen – Happy ever after, forever. Aber wie können wir noch sagen, ich hatte ein schönes Erlebnis, wenn ich mich nicht mehr erinnere, wie ein schlechter Moment aussieht? Wie kann ich jemals aufrichtig und wahrhaftig tiefe Liebe empfinden, wenn ich niemals den unerträglichen Schmerz des Liebens erfahren habe?

    Ich denke, das Eliminieren des Schmerzlichen hat fatale Folgen – das Gefühl der Gefühllosigkeit: Gleichgültigkeit. Denn wir fühlen zwar keine Schmerzen mehr, aber ohne den Kontrast zwischen schmerzlichen und freudigen Erlebnissen / Erinnerungen - was bleibt da noch? Reines, pures, immer fortwährendes Glück? Wohl kaum.

    Wollen wir das wirklich? Eine kleine Pille schlucken, negative Erinnerungen löschen und lieber Gleichgültigkeit empfinden als Schmerzen? Schmerzen können überwunden werden, die Gleichgültigkeit ist nahezu unüberwindbar. An ihr kann der Mensch verzweifeln, denn dann hat er nicht nur den Zugang zur Welt verloren, sondern auch den Zugang zu sich selbst.

    So, nun ist es wieder an euch! Macht euch Gedanken - pro Pille oder dagegen?

    http://hit-rock-bottom.xobor.de/t24f5-Vergiss-mein-nicht-oder-besser-doch-Teil.html#msg56

     

    Anlässlich der Osterfeiertage habe ich mir wieder einmal Gedanken zum 'Konzept Gott' gemacht. Ostern ist immerhin das wichtigste Fest der Christenheit, Jesus Christus ist für die Menschen gestorben, drei Tage später ist er auferstanden von den Toten und hat uns Christen damit das ewige Leben ermöglicht.

    Aber ist für das 'Konzept Gott' – ob nun christlich oder nicht – überhaupt noch Platz in der Gesellschaft? Hatte Nietzsche nicht Recht wenn er sagte „Gott ist tot – und wir haben ihn getötet“? Wie präsent ist Gott denn wirklich noch in unserem Leben?

    Also wenn ich einmal ehrlich bin – nicht sehr. Natürlich freue ich mich über drei freie Tage zu Ostern oder Weihnachten, genieße die Erholung und die Zeit mit der Familie, aber wirklich religiös gestalte ich diese Tage dann doch nicht. Man denkt vielleicht einmal über den Grund dieser freien Tage nach, aber für einen Kirchgang reicht es dann doch nicht.

    Woran liegt das? Ich habe eine Theorie, die sich auf Nietzsche stützt: Gott ist tot und wir haben ihn getötet. An die Stelle des 'christlichen Gottes' haben wir andere „Götter“ gesetzt: der Glaube an die Wissenschaft und Technik, Konsumstreben, 'Religion Körperwahn' oder 'Karrierestreben', Reichtum.

    Wir haben andere Dinge an die wir heute glauben. Wofür braucht es einen Gott da noch?

    Wir haben damals im Paradies vom Baum der Erkenntnis genascht und erkannt, dass wir Menschen vernunftbegabte Wesen sind. Diese Einsicht bedeutete vielleicht bereits den Anfang vom Ende des Glaubens. Wir wollen alles mit Vernunft erklären, auch unseren Glauben.

    Der aufgeklärte moderne Mensch ist sich bewusst, dass er für sein Schicksal selbst verantwortlich ist, sein Leben in der Hand hat – göttliche Vorherbestimmung? Fehlanzeige. Krankheiten lassen sich mit der Wissenschaft erklären, sie sind keine Prüfungen Gottes. An die Stelle der 10 Gebote sind andere Gesetze getreten. Das menschliche Miteinander regelt der Mensch nun selbst, mit Gesetzen und Moral. Die Schöpfung? Darwin hat uns plausibel die Entstehung der Welt durch Evolution erklärt. Der Glaube an einen Gott? Der lässt sich mit Vernunft nicht erklären – haben wir ihn deswegen verloren? Den Glauben an das Wunderbare, Zauberhafte, Unerklärliche?

    Ich fürchte, ich muss diese Frage mit „Ja“ beantworten – zumindest für mich. Ich bin rational, den Glauben an Wunder habe ich verloren – weil Wunder eben nicht begründbar sind. Aber ganz ohne Glauben geht es nicht – Glauben gibt Halt im Leben, uns einen Sinn – wir glauben deshalb an andere Dinge, Dinge die man erklären kann, menschen-gemachte, weniger wundersame Dinge. Wir glauben an den Menschen und seine 'Götzen'.

    Das Streben nach etwas 'Höherem' ist dem Menschen immanent – nur ist dieses 'Höhere' heute nicht mehr die Göttlichkeit, das ewige Leben sondern das Hier und Jetzt und seine Götzen.

    Lebe den Moment lautet das Konzept der Gegenwart, der Zeitgeist „carpe diem“.

    Mit dem Verlust des Glaubens an einen Gott und damit verbundene Ewigkeit, ist unser irdisches Dasein zeitlich begrenzt, also gilt es die Zeit effizient zu nutzen. Das Streben bleibt, wir brauchen etwas an das wir glauben können, denn ohne Glauben würde das Leben keinen Sinn machen. Wozu dann leben, ohne Glauben und ohne Hoffnung auf etwas "Besseres"? Ohne Glauben verzweifeln wir am Leben, wir brauchen also zeitgemäße Alternativen: Fortschritt, Wissenschaft, Technik, Erfolg, Reichtum, Macht, Besitztümer, Schönheit, Gesundheit.

    Doch mit all diesen 'menschlichen Gütern' und der verbissenen Konzentration auf effektive Gestaltung unseres Lebens, haben wir einen vergessen: Gott. Oder das Wunderbare, Unerklärliche, etwas 'Höheres' das über allem steht, ewig ist und beständig. All unser Streben ist auf vergängliche Dinge gerichtet – wir haben mit unserem Fokus auf die Gegenwart, den Blick für die Ewigkeit verloren.

    Was meint ihr? Diskutiert mit im Forum:

    http://hit-rock-bottom.xobor.de/t23f5-Losing-my-religion.html#msg55


    © 2017 Your Company. All Rights Reserved. Designed By agethemes.com

    Please publish modules in offcanvas position.

    Free Joomla! templates by AgeThemes